FEIERABEND 18. Dezember 202030. Juni 2022Martin W. Zaglmaier Abendruh‘ macht mich taub. Auf das Du und den Schuh legt sich Staub. Kopf, bist rot, wie der Mohn. Trock‘nes Brot und der Tod sind der Lohn.
MORGENZWEIFEL 12. Dezember 202030. Juni 2022Martin W. Zaglmaier Nehmt mir die ganzen Farben weg! Sonst mal‘ ich unermüdlich weiter. Nehmt Spiegeleier und den Speck! Sonst werd‘ ich immer breiter. Nehmt mir die ganzen dummen Sorgen! Ich brauch‘ sie wirklich niemals mehr. Macht mir nicht schon am frühen Morgen das liederliche Leben schwer!
LEBENS-HUNGER 11. Dezember 202030. Juni 2022Martin W. Zaglmaier Ich esse Käse und die Trauben und Seele baumelt, wie die Beine und ich will blaue Augen und ich will rote Weine ganz für mich, für mich alleine. Ich esse Trauben und den Käse und sauge gierig alles auf und esse, da ich ewig lebe, und ahn‘ der Dinge Lauf: Ich ess‘ das Leben auf!
KAMINGEDANKEN 10. Dezember 202030. Juni 2022Martin W. Zaglmaier Auf allen Heiden stehen die kargen Bäume und wilde Winde wehen und hindern das Fortgehen und Träumen großer Träume. Auf allen Heiden laufen die müden Tiere und alte Männer rauchen und alte Männer saufen wohl viele, viele Biere.
HAUSFÜHRUNG 5. Dezember 202030. Juni 2022Martin W. Zaglmaier Die ganzen Stühle waren hier noch nie zum Herumsitzen da. Sie stehen an der Eingangstür und schützen mich vor jeder Gefahr. Die ganze Zeitung war auch nie zum stundenlangen Lesen gedacht. Ich klebe sie ans Fenster. Sieh! – Ist es wohl Tag? Ist es wohl Nacht? Ich bastle aus dem Zeitungspapier ein zauberhaftes Kranichpaar. Die ganzen Stühle waren hier noch nie zum Herumsitzen da.
ABENDMONOLOG 26. November 202030. Juni 2022Martin W. Zaglmaier Der wilde Wind ist wie ein Tier, das klagt aus einem kühlen Grund und auch ein langer Traum hält mir die Hand vorm Mund. Das Glück hat heute Glück gehabt. Man lässt es einfach still in Ruh‘. Man hört in dieser langen Nacht des fernen Windes Klage zu.